Figurierung

„Sozialfiguren sind zeitgebundene historische Gestalten, anhand deren ein spezifischer Blick auf die Gegenwartsgesellschaft geworfen werden kann“

Stephan Moebius und Markus Schroer1

Sozialfiguren sind Verallgemeinerte Beschreibungen von individuellen Menschentypen und ihren Erfahrungen. Sie repräsentieren die gegenwärtige Gesellschaft, können also am besten in Retrospektive erkannt werden. Sozialfiguren sind zwar individuelle, menschliche Figuren, doch sind sie im ständigen Prozess. Durch sie können neue Reaktionen und Verhaltensweisen aufgezeigt werden, die daraufhin diskutiert werden können. Man könnte sagen, dass sie der Spiegel der Gesellschaft sind.

Sozialfiguren können Mitglieder von Randgruppen (wie z.B. Hacker, Fans und Geflüchtete), Überlebenskünstler:innen (bspw. Singles), Alltagsspezialist:innen (Expert:innen, Tourist:innen, Nomaden und Berater:innen) oder Akademiker:innen sein. Sie übernehmen keine Rolle, jedoch können sie durch ihr Erscheinungsbild durch Reproduktion habitueller Muster (Vervielfältigung und Nachahmung) zur Identitätsbildung beitragen. Der Alltag selbst kann hierbei als Bühne gesehen werden. Jedoch lässt sich anmerken, dass man unterscheidet zwischen sozialen und kulturellen Figuren. Ein zeitgenössisches Beispiel für eine soziale Figur wären die Klimaaktivist:innen, eine zeitgenössische kulturelle Figur könnten die Influencer:innen sein.

“Festzuhalten bleibt, dass Figurierungspraktiken sich in kulturellen Repräsentationen wie Liedern, Texten, Bildern usw. niederschlagen und von diesen wiederum angeregt und geformt werden. Typen sind demnach keine leblosen Konstrukte, sondern auch immer Rollen- und Identitätsangebote sowie identitäre Praktiken, die auf der Bühne des Sozialen praktisch wirksam sind.”

Moritz Ege, Jens Wietschorke2

Sozialfiguren können Schlüsselstellen innerhalb gesellschaftlicher Diskurse sein. Durch sie wird die Pluralität einer Gesellschaft und aktuelle Trends widergespiegelt. Auch soziale Verhältnisse innerhalb eines bestimmten Zeitraumes können retrospektiv durch eine genaue Analyse der jeweiligen Figur(en) erkannt werden.



  1. Stephan Moebius und Markus Schroer (Hrsg.): Diven, Hacker, Spekulanten. Sozialfiguren der Gegenwart. Suhrkamp, Berlin 2010, S.8
  2. Ege, Moritz/Jens Wietschorke: Figuren und Figurierungen in der empirischen Kulturanalyse. Methodologische Überlegungen am Beispiel der „Wiener Typen“ vom 18. bis zum 20. und des Berliner „Prolls“ im 21. Jahrhundert, in: LiThes. Zeitschrift für Literatur- und Theatersoziologie 11 (Person – Figur – Rolle – Typ II. Kulturwissenschaftliche und kultursoziologische Zusammenhänge), Oktober 2014